Ein großer Grauer mit schwarzen Punkten...

Wenn sich eine Stute ihren neuen Freund aussucht

Es war so weit:

der Umzug nach Thüringen stand fest. Auf ging es in ein neues Leben - für uns und unsere Tiere! Bis dato bestand unsere kleine Herde nur aus Julios Stute Miracle, die natürlich nicht alleine bleiben sollte. Kein Pferd ist glücklich allein, sind es doch hochsensible und kommunikative Herdentiere, für die eine vierbeinige Gesellschaft lebensnotwendig ist.

 

Wir schauten also voller Vorfreude nach einem geeigneten 2. Pferd und im Internet gab es so viele tolle Tiere, in die man sich verlieben konnte! Überwältigt ob der großen Auswahl fragte ich eines schönen Tages Miracle um Rat… war auch naheliegend, sollte das neue Pferd ja ihr eigener persönlicher neuer Freund werden. Erstaunlicher Weise wusste sie sofort zu berichten, dass es da jemanden gibt (einen Wallach), der ihr sehr gefällt und der bitte zu uns kommen soll. Perplext sah ich vor meinem inneren Auge das Bild eines großen, grauen, jungen starken Wallachs… ein Bild, das ihn von hinten zeigte: schwarzer Schweif, schwarze Punkte oben seitlich. Oha, dachte ich, na wenn es weiter nichts ist…? Wo suchen und dann finden? Und kann es wirklich sein, dass die Stute mir einen so konkreten Hinweis geben konnte - von einem Pferd, das sie noch nie in ihrem Leben selbst gesehen hatte??

 

Wir suchten weiter und wie das Leben oft so spielt, die eine kannte eine andere, deren Wallach zum Verkauf stand. Julio erkundigte sich nach den Eckdaten und wir vereinbarten einen Kennenlernbesuch – ich war mit dabei, da die Fotos schon sehr viel versprachen und er war grau! Und jung und kräftig. Die Chancen standen also gut...

Wir machten uns auf den Weg und als ich ihn von Weitem sah, kam sofort das Gefühl auf: der gehört zu unserer Family. Aber ich schob es zur Seite und wollte einen kühlen Kopf sowie vor allem Miracles klipp und klare Wunschliste im Auge behalten. Der freundliche und neugierige Wallach stand am Zaun vor uns, wir machten den „Nose-Handshake“ (eine Pferdebegrüßung, bei der unser Handrücken seine Nase berührt und wir uns „gegenseitig“ beschnuppern). Toller Kerl, ganz klar. Ob er es wirklich sein könnte, der Wunschpartner unserer Stute? Da auf einmal macht er auf der Stelle kehrt, flitzt zu seinen Kameraden im Offenstall zurück und gibt die Sicht frei auf sein prächtiges Hinterteil: schwarzer Schweif, schwarze Punkte. Nicht zu fassen!

 

Julio fuhr noch ein paar Mal hoch, um ihn besser kennen zu lernen, die beiden hatten gleich eine richtig schöne Verbindung. Es schien alles dafür zu sprechen, dass wir ihn gefunden hatten...

 

Und dann war an Ostermontag der Tag gekommen: Miracle und er (wir tauften ihn Odin, wie den großen starken Wikinger-Gott) hatten ihr erstes Date. Bei uns zuhause! Auf der kleinen Weide hinterm Haus, die wir bezeichnender Weise Honeymoon-Weide nannten. Meine Aufregung war groß, ich versuchte es ein bißchen vor Miracle zu verheimlichen um sie nicht anzustecken, das war aber gar nicht nötig, sie wusste schon, dass heute ein ganz besonderer Tag war und stand selber voller angespannter Vorfreude am Tor. Sie spitzte die Ohren, als Julio mit Odin plötzlich im Wald zu hören war, auf dem Weg von der Straße, wo der Pferdehänger ihn ausgeladen hatte, zu uns… 

Mir standen die Tränen in den Augen, als sie um die Ecke bogen – das große dunkle starke Pferd und Julio, beide mit strahlenden Gesichtern… das Gefühl von einem Puzzleteil, das noch gefehlt hatte und sich nun an seinem Platz einfügte. Ganz leicht und mühelos, so selbstverständlich und doch so unfassbar zauberhaft! Wie würden die beiden Pferde reagieren? Was würde passieren, wenn sie sich endlich Nase an Nase gegenüber stehen würden?

Wir ließen beide gleichzeitig auf die Honeymoonweide und… keiner konnte es glauben. Die vorherigen, sehr pferdeerfahrenen Besitzer nicht, die Odin so fürsorglich zu uns gebracht hatten, und ich fast auch nicht, denn es geschah: nichts! Kein wie sonst in dieser Situation übliches Quieken, kein Imponiergehabe, kein aufgeregtes Tänzeln, Schnappen oder wild kommunizierendes Ohrenspiel. Uns standen die Fragezeichen über den Köpfen, bis die Vorbesitzerin meinte: „Komisch, wie ein altes Ehepaar?!"

 Miracles vorherige Aufregung war wie weggeblasen. Nonchalant und ganz zufrieden schien mir, als zwinkerte sie mir von weitem zu: "Haben wir gut gemacht."

 

Mir rutschte ein riesiger Stein vom Herzen, das erfüllt war von tiefster Dankbarkeit. Hier standen 2 Pferde, die sich ganz sicher noch nie zuvor begegnet waren und doch strahlten sie so eine Vertrautheit aus, wie sie sich da Seite an Seite, ganz selbstverständlich nebeneinander von einem Grashalm zum nächsten mümmelten, langsam gemeinsam über die Weide schlenderten, als würden sie sagen: Da bist du ja also! Hat ja super geklappt! Na dann lass uns weiterfressen.

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